2015 entgleiste ein Zug in der Nähe von Strassburg. Neun Jahre später sind die französische Staatsbahn sowie weitere Angeklagte schuldig gesprochen worden.
Schneller von Paris nach Strassburg fahren, das war das Versprechen der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke, die im Frühjahr 2016 eröffnet werden sollte. Doch die Testfahrt im November 2015 verkam zur Tragödie. Der Zug entgleiste, zwei Triebwagen und sechs Waggons stürzen in der Rhein-Marne-Kanal. Elf Personen kamen ums Leben, über 40 weitere wurden verletzt.
Es war das schwerste Unglück in der Geschichte des Hochgeschwindigkeitszugs TGV. Die Tragödie ging allerdings im kollektiven Schock Frankreichs unter, das tags zuvor durch die Terroranschläge auf das Konzerthaus Bataclan, das Fussballstadion und mehrere Cafés erschüttert wurde.
Am Donnerstag nun hat das Pariser Strafgericht sein Urteil in dem Fall gesprochen. Es hat die Staatsbahn SNCF wegen fahrlässiger Tötung für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe von 400 000 Euro verurteilt. Auch zwei Tochtergesellschaften, Systra und SNCF Réseau, wurden verurteilt. Sie müssen jeweils 225 000 Euro und 150 000 Euro zahlen.
Der Lokführer erhielt eine Bewährungsstrafe von sieben Monaten. Ein Mitarbeiter, der für das Bestimmen des Bremspunktes verantwortlich war, wurde zu 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, wie die Zeitung «Les Dernières Nouvelles d’Alsace» aus dem Gerichtssaal berichtete. Eine dritte Person, die zum Zeitpunkt des Unglücks ebenfalls im Führerstand war, wurde freigesprochen.
Zu spät gebremst, zu schnell unterwegs
Der Testzug war am 14. November 2015 kurz vor Strassburg in einer Kurve mit hohem Tempo entgleist. Eine Untersuchung zeigte, dass weder ein Versagen der Gleise noch des Zuges für den Unfall verantwortlich war. Die Komposition fuhr mit 265 Kilometern pro Stunde in die Kurve – statt der erlaubten 176 Kilometern pro Stunde. Sie wurde viel zu spät abgebremst.
Normalerweise würde ein Sicherungssystem den Zug bei zu hohem Tempo vor der Kurve automatisch abbremsen. An jenem Tag war das System aber bewusst ausser Betrieb. Der Zug sollte zu Testzwecken schneller unterwegs sein als später im regulären Verkehr. Die Eisenbahner mussten selber berechnen, ab wann sie bremsen müssen. Sie taten es nicht korrekt.
Die Staatsanwaltschaft kritisierte während des Prozesses im Frühling «eine kollektive Blindheit» bei der Durchführung der Tests und eine Reihe «absurder» Entscheidungen, wie die Zeitung «Le Figaro» berichtete. Die Angeklagten schoben sich gegenseitig die Schuld zu. Die Verantwortung für das Unglück wollte niemand übernehmen.
Das Gericht in Paris kam nun zum Schluss: Fast alle von ihnen haben ihren Teil zur Katastrophe beigetragen.
mit Agenturmaterial.