Mehr als 36 Billionen Dollar – so viele Staatsschulden haben die USA im Moment. Würde man die Schulden der USA in 100-Dollar-Scheinen stapeln, würde der Turm etwa bis zur Hälfte der Strecke zum Mond reichen. Und jede Sekunde kommen etwa 60 000 Dollar dazu. Was bedeuten so viele Schulden für ein Land? Und sitzen die USA da auf einer tickenden Zeitbombe?
Ganz vereinfacht kann man sagen: Ein Staat nimmt durch Steuern Geld ein. Dieses Geld gibt er aus, um Strassen zu bauen, Schulen zu betreiben oder Renten auszuzahlen.
Matthias Benz, Wirtschaftsredaktor: «Wenn ein Staat in einem Jahr mehr Geld ausgibt, als er an Steuern einnimmt, dann muss er die Differenz über Schulden decken und nimmt dann Geld am Kapitalmarkt auf, indem er Staatsanleihen ausgibt.»
Staatsanleihen sind Schuldscheine, die ein Staat ausgibt, um sich Geld zu leihen. Anleger – also zum Beispiel Banken, Pensionskassen oder Privatpersonen – kaufen diese Anleihen. Sie leihen dem Staat also Geld und bekommen dafür Zinsen. Am Ende einer festgelegten Laufzeit zahlt der Staat das Geld zurück.
Wenn man von Schulden spricht, klingt das oft negativ. Aber nicht alle Schulden sind schlecht:
Matthias Benz: «Es kann tatsächlich sinnvoll sein, wenn sich Staaten verschulden. Ein Beispiel sind grosse oder sehr langfristige Infrastrukturprojekte, beispielsweise der Gotthard-Basistunnel in der Schweiz. Es kann sinnvoll sein, wenn der Staat dafür einen Kredit aufnimmt, weil auch künftige Generationen von diesen Projekten profitieren.»
Durch Schulden lassen sich die hohen Kosten auf mehrere Generationen verteilen. Problematisch wird es aber, wenn ein Staat Schulden macht, um laufende Ausgaben zu finanzieren – zum Beispiel Renten.
Matthias Benz: «Das ist falsch, denn solche laufenden Ausgaben sollten tatsächlich auch aus den laufenden Staatseinnahmen gedeckt werden.»
Denn das sind keine Investitionen, von denen zukünftige Generationen profitieren.
Schauen wir uns mal ein konkretes Beispiel an: die USA. Diese Grafik zeigt, wie die Staatsschulden der USA in den letzten Jahrzehnten gewachsen sind. Gut sichtbar ist zum Beispiel, dass die USA während der Finanzkrise 2008 und während der Corona-Krise viele Schulden aufgenommen haben.
Matthias Benz: «Das Hauptproblem ist aber, dass diese Schulden in den guten Zeiten dann nicht wieder reduziert wurden. Dadurch ist die Staatsverschuldung in den letzten 20 Jahren sehr stark gestiegen.»
In absoluten Zahlen gemessen sind die USA heute das Land mit dem grössten Schuldenberg. Um Staatsschulden besser vergleichen zu können, stellt man die Verschuldung ins Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt. Das ist dann die «Schuldenquote». Japan hat weltweit die höchste Schuldenquote. Aber auch die USA liegen weit vorne.
Matthias Benz: «Die Schuldenquote liegt jetzt bei etwa 120% der Wirtschaftsleistung. Das ist im historischen Vergleich sehr viel. Momentan gibt es da keine Probleme, die man sieht. Aber die Sorge ist, dass die Staatsverschuldungsquote in den nächsten Jahren noch weiter steigen wird. Und dann könnten die USA durchaus in einen heiklen Bereich kommen.»
Hohe Staatsverschuldung kann zu einer ganzen Reihe von Problemen führen:
Das erste sind die Zinsen: Je mehr Schulden ein Staat hat, desto mehr Zinsen muss er zahlen. Die USA zum Beispiel geben inzwischen mehr Geld für Zinsen aus als für ihr gesamtes Militär. Und je mehr Zinsen ein Staat zahlen muss, desto weniger Geld bleibt für andere Investitionen.
Zweites Problem: Wenn der Staat viel Geld von Anlegern leiht, können diese weniger anderweitig investieren. Und das bremst das Wirtschaftswachstum.
Drittes Problem: In extremen Fällen kann die Notenbank gezwungen sein, Geld zu drucken, um die Staatsverschuldung indirekt zu finanzieren. Dann kommt es zu Inflation – das Geld der Menschen wird entwertet.
Und viertes Problem: Irgendwann sinkt auch das Vertrauen der Anleger. Sie sind weniger bereit, dem Staat Geld zu leihen. Dann muss der Staat die Zinsen erhöhen, um die Staatsanleihen attraktiver zu machen. Aber wenn die Anleger dann irgendwann kein Geld mehr leihen wollen, führt das zum Staatsbankrott.
Matthias Benz: «Viele werden sich auch an die Griechenland-Krise erinnern von 2011, als Griechenland kein Geld mehr am Kapitalmarkt bekommen hat und dann von den anderen Euro-Staaten gerettet werden musste. Das war auch sehr schmerzhaft, weil dann auch die Wirtschaft leidet und auch die Bürgerinnen und Bürger unter dieser Situation leiden.»
Allerdings trifft das nicht auf jedes hoch verschuldete Land zu. Die USA zum Beispiel können sich trotz hohen Schulden weiterhin gut finanzieren. Der Grund? Die USA haben die weltweit grösste Volkswirtschaft. Und der Dollar ist die wichtigste Währung der Welt.
Matthias Benz: «Das führt dazu, dass viele Anleger eigentlich gar nicht um den amerikanischen Kapitalmarkt herumkommen, wenn sie Geld anlegen wollen.»
Eigentlich haben die USA ja einen Mechanismus, der verhindern soll, dass die Schulden noch weiter ansteigen.
Matthias Benz: «Ja, die USA haben zwar eine Schuldenregel, aber sie funktioniert nicht richtig, weil sie schlecht ausgestaltet ist.»
Sobald die festgelegte Schuldenobergrenze erreicht ist, kommt es zu einem sogenannten Government Shutdown. Der Staat zahlt dann Rechnungen und Löhne für Staatsangestellte nicht mehr aus.
Barack Obama: «Zum ersten Mal seit 17 Jahren haben die Republikaner im Kongress beschlossen, die Bundesregierung stillzulegen.»
Moderator: «Um Mitternacht wurde die US-Regierung aufgrund fehlender finanzieller Mittel stillgelegt.»
Donald Trump: «Ich bin stolz darauf, die Regierung für die Grenzsicherheit stillzulegen.»
Moderator: «Er hat tatsächlich gesagt, dass sich der Shutdown über Monate hinziehen könnte.»
Patty Murray: «Die Ja-Stimmen betragen 77, die Nein-Stimmen 13. Das Gesetz wird verabschiedet.»
Matthias Benz: «Und dann wird diese Schuldengrenze aber immer wieder erhöht, und das führt dazu, dass die Verschuldung eigentlich ungebremst steigt.»
Anders funktioniert der Mechanismus, den es zum Beispiel in der Schweiz oder in Deutschland gibt: die «Schuldenbremse». In der Schweiz ist sie seit 2003 in der Bundesverfassung verankert. Sie hält fest, dass der Bund «seine Ausgaben und seine Einnahmen auf Dauer im Gleichgewicht» halten muss.
Matthias Benz: «Das heisst, in schlechten Zeiten wie bei der Corona-Krise darf er sich durchaus verschulden. Aber er muss dann in den guten Zeiten diese Schulden auch wieder reduzieren.»
Die Schuldenbremse hat sich für die Schweiz bewährt: Seit ihrer Einführung ist die Schuldenquote deutlich gesunken. Zurzeit liegt die Verschuldung des Schweizer Staats bei etwa 34% des Bruttoinlandprodukts – ein niedriger Wert im internationalen Vergleich.
Auch in Deutschland gibt es eine Schuldenbremse mit ähnlichen Regeln. Die Schuldenquote ist zwar während der Finanzkrise und der Euro-Krise angestiegen, konnte aber dank der Schuldenbremse in den darauffolgenden Jahren deutlich reduziert werden. Dennoch wird jetzt über eine Lockerung diskutiert:
Friedrich Merz: «Wir müssen jetzt etwas tun, um unsere Verteidigungsfähigkeit deutlich zu erhöhen.»
Matthias Benz: «Einerseits ist das verständlich, weil man sieht, man muss jetzt viel mehr in die Verteidigung investieren in den nächsten Jahren, man muss die Armeen aufrüsten. Andererseits ist das aber auch sehr problematisch, weil die Schuldenbremse in Deutschland tatsächlich ein Erfolgsmodell gewesen ist, für eine gute Haushaltspolitik gesorgt hat in den letzten 15 Jahren. Und das ist heikel, weil man das jetzt natürlich aufgibt.»
Dass ein Staat Schulden hat, ist beinahe unumgänglich. Die Beispiele der Schweiz und Deutschlands zeigen aber: Es gibt wirkungsvolle Massnahmen, um die Schulden einzudämmen.
Matthias Benz: «Wenn man eine gute Schuldenbremse hat, dann führt das tatsächlich dazu, dass der Staat eine gute Haushaltspolitik macht und die Verschuldung tatsächlich auch in den Griff bekommt. Aber wichtig ist, wie diese Schuldenbremse konkret ausgestaltet ist. Sie muss eben so sein, dass sie griffig ist. Sie darf den Politikern nur möglichst wenige Ausnahmen erlauben, und dann kann sie tatsächlich auch wirken.»