Prominente Ex-Politiker fordern einen Abbruch der blau-türkisen Verhandlungen. Die Chefin der Neos erklärte, dass sie in diesem Fall wieder „gesprächsbereit“ wäre, um Neuwahlen zu verhindern.
Es ist ein Who’s Who der Politik der 1990er-Jahre, das sich am Freitag im Café Tirolerhof unweit der Albertina versammelt hat: Heinz Fischer und Ferdinand Lacina von der SPÖ, Franz Fischler und Michael Ikrath von der ÖVP, Terezija Stoisits und Rudolf Anschober von den Grünen und Heide Schmidt vom längst verblichenen Liberalen Forum hatten sich da zusammengefunden, um zu einem aktuellen Thema Stellung zu nehmen.
Und so scharf auch die Auseinandersetzungen unter diesen Politikern in ihrer aktiven Zeit gewesen sind, so einig sind sie sich diesmal: Es soll eine Alternative zur derzeit verhandelten Koalition aus FPÖ und ÖVP gesucht werden. Oder, wie es die Veranstalter in ihrer Einladung formulierten: Es gebe noch „eine zweite Chance für die Zweite Republik“.
Heinz Fischer, langjähriger SPÖ-Klubchef und von 2004 bis 2016 Bundespräsident, sieht die Republik in Gefahr: „Wir wollen nicht, dass das Grundkonzept und die Grundlagen der Zweiten Republik einem beträchtlichen Risiko ausgesetzt werden“, sagte er. Man wolle eine offene Gesellschaft und keine illiberale Demokratie. Keine nationalistischen Zuspitzungen und Feindseligkeiten und keine „Retro-Politik“ – etwa, was die Rolle der Frauen in der Gesellschaft betreffe. Und: „Wir wollen insbesondere keinen Volkskanzler Kickl.“
„Stehen vor Dammbruch“
Noch schärfer formulierte es Heide Schmidt, einstige Gründerin des Liberalen Forums, das auch eng verbunden ist mit den heutigen Neos. „Die FPÖ ist keine Partei wie andere auch“, sagte die Expolitikerin, die selbst aus der FPÖ kommt und dort Spitzenfunktionen innehatte. „Die FPÖ hat das Zeug, die Demokratie zu zerstören“, befürchtet sie. „Vor diesem Dammbruch stehen wir. Ich glaube, dass jede Minute, in der der Damm noch nicht gebrochen ist, genutzt werden muss.“
Der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler (ÖVP) stellte das Europa-Thema in den Mittelpunkt. Gerade jetzt sei es „fundamental“, Europa zu stärken. Viele Entwicklungen könne man nur auf europäischer Ebene bewältigen, vor allem die Sicherheit. „Sehr gefährlich“ sei es, wenn in Europa Reformverweigerer an die Macht kommen, die die EU auf eine Wirtschaftsunion reduzieren wollten. Auch für Fischler ist es „alles andere als wünschenswert“, dass seine Volkspartei Herbert Kickl zum Bundeskanzler macht.
Meinl-Reisinger stünde wieder bereit
Was aber wären die Alternativen zu Blau-Türkis, nachdem auch schon die Dreierkoalition gescheitert ist? Dass es keine anderen Optionen gebe, sei einfach falsch, sagte Ex-Gesundheitsminister Rudolf Anschober. Die Parteien abseits der FPÖ müssten wieder ins Gespräch kommen, man müsse Alternativen eine Chance geben. Es sei „spät, aber noch zeitgerecht“, so der Grüne.
Eine mögliche Alternative brachten am Freitagabend die Neos ins Spiel: Just jene Partei, die mit dem Ausstieg aus den Verhandlungen ein Auslöser für das Platzen von Türkis-Rot-Pink waren, stünde nämlich wieder für Regierungsverhandlungen bereit, sofern Blau-Schwarz scheitern sollte. Im „Standard“ erklärte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger auf die Frage nach neuerlichen Verhandlungen mit ÖVP und SPÖ: „Wir sind grundsätzlich immer gesprächsbereit. Ich wüsste nicht, was Neuwahlen bringen sollen.“