Auch in einem Urlaubsmekka stehen die Kassenbänder still, wenn der angesäuerte Konsument es will. Über leergefegte Läden, verödete Parkplätze vor den Supermärkten und gelangweilte statt gestresste Kassiererinnen berichteten Kroatiens Medien am Wochenende. „Die Leute boykottierten massiv die Läden, der Umsatz brach brutal ein“, bilanzierte das Webportal „index.hr“ Kroatiens ersten Käuferboykott am sonst so umsatzstarken Freitag.
Obwohl der gegen die hohen Lebensmittelpreise gerichtete Konsumentenstreik vor allem die Supermärkte traf, rapportierten die Steuerbehörden 43 Prozent weniger ausgestellte Rechnungen und 50 Prozent weniger Umsätze des gesamten Einzelhandels. Von Medien befragte Supermarkt-Angestellte fühlten sich angesichts des ausgebliebenen Kundenandrangs gar an die Zeiten der Corona-Pandemie erinnert.
Während die meisten der großen Supermarktketten wie Spar, Konzum, Lidl oder Kaufland den zunächst auf einen Tag begrenzten Kundenaufstand nicht kommentieren wollen, zeigen sich die Organisatoren der von der Verbraucherorganisation ECIP initiierten Facebook-Initiative „Hallo, Inspektor“ über das überwältigende Echo auf ihren Aufruf zum Käuferboykott begeistert. „Niemand hat eine solche Revolte erwartet“, so deren Sprecher Josip Kelemen gegenüber dem TV-Sender N1: „Wir haben vor der Preiswilderei gewarnt und niemand hat reagiert. Die Leute fühlen sich wie Idioten – und betrogen.“
Die verstärkte Nachfrage nach der Pandemie und die Folgen des Ukraine-Kriegs haben auch in anderen Staaten für Preisschübe und gestiegene Lohnkosten gesorgt. Doch Kroatiens Euro-Einführung Anfang 2024 halten Marktbeobachter nur für eine Ausrede für wie abgesprochen angezogene Lebensmittelpreise. In Kroatien lag die Inflationsrate im Dezember mit 4,5 Prozent zwar fast das Doppelte über dem Mittel der Eurozone (2,4 Prozent). Doch EU-Staaten ohne Euros wie Rumänien (5,5 Prozent) und Ungarn (4,9 Prozent) wiesen noch höhere Inflationsraten auf.
Hamsterfahrten über die Grenze
Nicht nur Einheimische und Touristen sind verärgert. Verwundert zeigt sich beispielsweise der in der Hafenstadt Rijeka studierende Berliner Lyonell Holländer über die gesalzenen Lebensmittelpreise seines Gastlandes. Obwohl das italienische Triest gerade einmal 70 Kilometer entfernt sei, seien die Preise für Barilla-Nudeln, Pesto und Aperol trotz geringerer Transportkosten fast doppelt so hoch wie in Deutschland: „Und dabei verdienen die Leute hier deutlich weniger.“
Selbst die Preise deutscher Supermarktketten wie Kaufland oder Lidl würden in Kroatien rund ein Fünftel über denen in Berlin liegen, so seine Erfahrung. Wie der scharf kalkulierende Medizinstudent, der nicht nur Heimfahrten, sondern auch Ausflüge nach Triest zu kostengünstigeren Einkäufen nutzt, machen sich immer mehr Kroaten zu Hamsterfahrten über die Grenzen auf: Einen ungewohnt starken Andrang kroatischer Kunden vermeldeten am Tag der Boykottpremiere die grenznahen Supermärkte im benachbarten Slowenien.
Trotz des überwältigenden Echos zeigt sich Kroatiens Einzelhandelsverband HUP vom Kundenaufstand bislang wenig beeindruckt. „Wir werden weiter so arbeiten wie bisher“, versichert deren stellvertretender Vorsitzender Mirko Budimir: „Daran wird auch dieser sogenannte Boykott nichts ändern.“ Die Handelsketten zeigten ihren Kunden den „Mittelfinger“, konstatiert die Konsumentenvereinigung „Hallo, Inspektor“ – und kündigt einen noch umfassenderen Käuferboykott für den kommenden Freitag an: Dieser solle nicht nur die Supermarktketten, sondern den gesamten Einzelhandel treffen.