Kanzler Schallenberg dankt in seiner Regierungserklärung seinem Vorgänger Nehammer dafür, sich „nie verbogen“ zu haben. Die SPÖ kritisiert das „Budgetdesaster“. Die Stimmung im Hohen Haus ist aufgeheizt.
Nur ein einziger Plenartag steht in dieser Woche auf der Agenda des Parlaments. Interimskanzler und Außenminister Alexander Schallenberg nützt ihn, um einen Ausblick darauf zu geben, was das von ihm geführte Kabinett in nächster Zeit plant. Zuvor aber gingen die Emotionen hoch. Der Grund: Die „Aktuelle Stunde“, deren Thema die SPÖ ausgewählt hat. Es lautet: „Österreich verdient Ehrlichkeit: Wer wird das Budgetdesaster bezahlen, Herr Finanzminister?“
Er hätte sich nie erwartet, noch einmal als Regierungschef „vor Ihnen zu stehen“, begann Schallenberg seine Regierungserklärung um kurz nach 10.30 Uhr. Es sei seine Aufgabe, die Amtsgeschäfte „mit ruhiger Hand fortzuführen“. Das sei sein Verständnis von seinem „Dienst an der Gemeinschaft und Dienst an unserem Land“. Schallenberg dankte seinem Vorgänger als Bundeskanzler Karl Nehammer für dessen Arbeit: „Er hat sich nicht verborgen, er hat Rückgrad, Haltung und Größe gezeigt“, zollte er Nehammer Respekt.
Schallenberg: „Stärke des Rechts muss Maxime sein“
Die Republik stehe vor großen Herausforderungen, holte Schallenberg aus. Aus diesem Grund habe er als Ziel seiner ersten Reise als Regierungschef Brüssel gewählt und den pro-europäischen Kurs der Republik betont. „Österreich ist und bleibt ein verlässlicher und stabiler Partner in der Welt“, betonte Schallenberg. Und, Österreich erwarte sich „Achtung und Respekt für seine demokratischen Prozesse im Land“. Allerdings: Für eben diese Prozesse müsse es auch im Inneren Achtung und Respekt geben. „Es ist die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren, die unsere Maxime sein muss“, hielt er fest.
Der Erste, der auf Schallenbergs Rede antworten durfte, war sodann Philip Kucher von der SPÖ. „Ich glaube Ihnen persönlich jedes Wort“, richtete er dem Interimskanzler aus, „aber ich glaube der ÖVP kein Wort mehr“. Immerhin hätte die Volkspartei vor der Nationalratswahl stets betont, nicht mit FPÖ-Chef Herbert Kickl koalieren zu wollen, tatsächlich werde nun aber eifrig mit den Freiheitlichen verhandelt. Schallenberg, so betonte Kucher, sei anders, denn dieser habe angekündigt, unter Blau-Türkis nicht mehr Minister sein zu wollen.
Der neue geschäftsführende ÖVP-Obmann Christian Stocker dementierte den von Kucher erhobenen Vorwurf umgehend, dass zwischen Volkspartei und Freiheitlichen noch vor dem Bruch der Dreierkoalitionsgespräche geheim verhandelt worden sei. Tatsächlich habe die SPÖ das Scheitern der Dreierkoalition zu verantworten. Scharfe Töne schlug dann auch Neobs-Obfrau Beate Meinl-Reisinger an: Die SPÖ betreibe „Retro-Sozialismus“, der „einfach nicht regierungsfähig ist“. Der ÖVP hielt sie vor, vor der Wahl falsche Zahlen vorgelegt zu haben und in Richtung FPÖ meinte sie: „Ich habe das Gefühl, dass sie sich nicht mit der ÖVP ins Bett legen, sondern die ÖVP als Bettvorleger wollen.“
Grünen-Bundessprecher Werner Kogler tadelte die drei gescheiterten Verhandler wiederum dafür, dass sie die gemeinsamen Verhandlungen nicht zu einem positiven Abschluss gebrach hätten. Und merkte an: „Es ist nie zu spät für Umkehr.“ Seitens der FPÖ fand sich zunächst niemand auf der Rednerliste zur Debatte.
Schlagabtausch zwischen Babler und Mayr
Vor Schallenbergs Rege waren die Wogen im Parlament bereits hochgegangen: Er mache sich Sorgen um die finanzielle Lage von Land und Bürgern, begann SPÖ-Chef Andreas Babler. Der Nationalrat sei nicht informiert worden über die „Kürzungsfantasien“ der türkis-blauen Koalitionsverhandler. Die Österreicher hätten ein Recht zu erfahren, wer dieses große Budgetloch querfinanzieren müsse, so Babler.
Zudem kam Babler auf die gescheiterten Koalitionsverhandlungen von ÖVP, SPÖ und Neos zu sprechen: Die Industriellen hätten sich in der Volkspartei „mit ihren radikalen Kursen“ durchgesetzt und zum Platzen der Gespräche geführt, so seine Version. „Ich muss mich auch ein bisschen über die Freiheitlichen wundern“, ergänzte Babler. Diese würden jetzt schon mit „den Großindustriellen“ mitschwimmen und ein Wahlversprechen nach dem anderen brechen. Nun liege es an der SPÖ, „Widerstand“ zu leisten.
Finanzminister Gunter Mayr verewies darauf, dass in der Vorwoche von FPÖ und ÖVP ausformulierte Sparpläne nach Brüssel überstellt worden seien, um ein EU-Defizitverfahren abzuwenden, vor dem er selbst „seit zwei Monaten permanent gewarnt“ habe. „Parteiobmann Babler, Ihre Position ist auf EU-Ebene eine einzigartige“, sagt Mayr. Er würde kein EU-Land kennen, das freiwillig ein Defizitverfahren in Kauf nehmen würde.
„Propagandaminister“: SPÖ sorgt für Rumoren
FPÖ-Finanzsprecher Hubert Fuchs nahm den Ball auf und betonte, dass die FPÖ den „Schuldenhaufen der Republik“ nicht verursacht hätte, ihn nun aber aufräumen werde. „Vielen Dank an die SPÖ“, richtete er Babler aus. ÖVP-Klubobmann August Wöginger schlug in dieselbe Kerbe: „Die Babler-Gruppe in der SPÖ ist unfähig, Verantwortung für Österreich zu übernehmen.“ Sollten die Sozialdemokraten je wieder eine staatstragende Partei werden wollen, so sein Rat, „dann müssen sie die erste Reihe austauschen“.
Umgehend konterte darauf SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer, und sorgte für Raunen unter den Reihen der Abgeordneten, als er in Richtung von Finanzminister Mayr sagte: „Sie sind mehr ein Propagandaminister als ein Finanzminister.“ Über die verbale Heftigkeit sowie die rote Sichtweise auf die gescheiterten Koalitionsverhandlungen wunderte sich sodann Neos-Klubobmann Nikolaus Scherak. Babler sei offensichtlich in Parallelverhandlungen gesessen, meinte er.
Umwelt- und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) verteidigte anshclkießend einmal mehr das von der scheidenden türkis-grünen Regierung hinterlassene Budgetloch. Angesichts von Pandemie, dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine sowie der Inflation sei es richtig gewesen, zu helfen. Der ÖVP unterstellte sie abschließend ihrerseits den Bruch von Wahlversprechen: „Die Abschaffung des Klimabonus ist nichts anderes als eine Steuererhöhung durch die Hintertür.“