Ein Fall aus dem Wallis bestätigt einen Trend, den Terrorismusexperten schon länger beobachten: Mutmassliche Täter werden immer jünger. Das hat auch mit Social Media zu tun.
Extremistische Inhalte in sozialen Netzwerken stossen bei jungen Menschen auf immer grössere Resonanz. Das zeigt ein Fall aus dem Wallis, der am Freitag publik wurde. Laut einer Recherche von SRF und RTS hat die Kantonspolizei Wallis im Juni bei einem Elfjährigen interveniert. Er soll «rassistische und diskriminierende» Inhalte geteilt haben.
Der bislang jüngste Verdächtige
Das Jugendgericht in Sitten hat den Bericht von SRF bestätigt. Man habe ein Verfahren eingeleitet, hiess es von Seiten des Gerichts. Es gilt die Unschuldsvermutung. Der Elfjährige ist laut SRF nicht in Haft. Sozialpädagogische Massnahmen wurden eingeleitet. Von allen Fällen, die in der Schweiz in diesem Zusammenhang bislang publik wurden, ist er der jüngste Verdächtige.
Laut SRF hat der Elfjährige der Kantonspolizei bestätigt, Kontakt mit Personen im Ausland gehabt zu haben, die vermutlich extremistischen Bewegungen nahestünden. Das Jugendgericht und die Polizei machen keine Angaben dazu, welche Bewegungen gemeint sind. Laut dem Bericht von SRF gehe man aber von einem islamistisch-jihadistischen Kontext aus.
Ob und inwiefern sich der Elfjährige durch die Inhalte und die Kontakte ins Ausland radikalisiert hat, ist offen. Ob Verbindungen zu anderen Jugendlichen bestehen, auch. Laut dem Jugendgericht laufen weitere Abklärungen.
Fälle in der Schweiz häufen sich
Der Fall aus dem Wallis reiht sich ein in eine Reihe von ähnlichen Fällen, die in den vergangenen Monaten öffentlich wurden. Im März nahm die Polizei in der Westschweiz drei Jugendliche fest, bei denen die Behörden eine Verbindung zu «extremistischen oder radikalisierten Bewegungen» feststellten.
Was das genau bedeutet, führten die zuständigen Polizeistellen in Genf und der Waadt nicht aus. Bekannt ist aber, dass die Jugendlichen in den sozialen Netzwerken extremistische Inhalte verbreiteten. Sie seien in einer Gruppe für Sympathisanten jihadistischer Thesen aktiv gewesen, hiess es.
Im April wurde bekannt, dass die Behörden im Kanton Schaffhausen und im Thurgau gegen drei Personen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren ermitteln. Die Jugendlichen sollen die Terrororganisation IS unterstützt und Sprengstoffanschläge geplant haben.
Bei den drei Jugendlichen stellten die Behörden auch Verbindungen zu jungen IS-Anhängern in Deutschland fest. In Chats sollen sie Anschläge in Deutschland und in der Schweiz geplant haben.
Der gravierendste Fall geschah im März in Zürich: Ein 15-Jähriger griff an einem Samstagabend im Kreis 2 einen orthodoxen Juden mit einer Stichwaffe an und verletzte ihn lebensbedrohlich. Der Jugendliche hatte die Tat in einem Video angekündigt und sich darin zum sogenannten Islamischen Staat bekannt.
Radikalisierung auf Social Media
Radikalisierung von Jugendlichen nehmen zu. Das hat auch mit Social Media zu tun. Auf Tiktok oder Instagram ist es sehr leicht, mit extremistischen Inhalten in Berührung zu kommen. Wer sich einige Male Video mit jihadistischen Botschaften anschaut, gerät bald in einen Strudel voll mit solchen Inhalten.
Laut Christian Dussey, dem Direktor des Nachrichtendienst des Bundes, kam es seit Anfang Jahr europaweit zu 30 Verhaftungen wegen Terrorgefahr. Das seien mehr Fälle als im ganzen letzten Jahr, sagte er Ende August den Tamedia-Zeitungen. Ausserdem habe der IS habe Anfang Jahr eine Propaganda-Kampagne gestartet, wie man sie schon lange nicht mehr gesehen habe, sagte Dussey. Darin rief der IS dazu auf, Attentate in Europa zu begehen. Diese Kampagne werde durch die sozialen Netzwerke verstärkt.
Gleichzeitig werden islamistische Täter immer jünger. Ein Problem, das den Behörden schon seit längerem bekannt ist. Alexandra Ott Müller, Leitende Jugendanwältin der Jugendanwaltschaft Winterthur und Expertin für radikalisierte Jugendliche sagte im April in der NZZ: «Wir beobachten diese Entwicklung schon seit über zehn Jahren».
Jugendliche wollten sich einer Gruppe zugehörig fühlen, Grenzen ausloten, Vorbilder nacheifern, sagte Ott. Islamisten würden diese pubertäre Selbstfindungsphase hemmungslos für ihre Zwecke ausnutzen. Laut Ott geschieht eine Radikalisierung in dieser Lebensphase ausserordentlich schnell. Gleichzeitig sei schwer zu erkennen, ob von einer minderjährigen Person tatsächlich eine Bedrohung ausgehe.