Die neusten Entwicklungen
Der US-Präsident Donald Trump will hart gegen den Drogenhandel vorgehen und lässt Schmugglerschiffe angreifen. Dürfen die USA rechtlich diese Angriffe ausführen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Beim Angriff auf dieses Schiff kamen Anfang September elf Personen ums Leben.
President Donald J. Trump / X / Imago
Die neusten Entwicklungen
- Die US-Regierung hat Sanktionen gegen Kolumbiens Präsidenten Gustavo Petro verhängt, dem sie mangelndes Vorgehen gegen Drogenkartelle vorwirft. Neben ihm wurden auch seine Ehefrau, sein Sohn sowie der kolumbianische Innenminister Armando Benedetti auf eine entsprechende Liste gesetzt, wie aus einer Mitteilung des US-Finanzministeriums vom Freitag (24. 10.) hervorgeht. Ihre Vermögenswerte in den Vereinigten Staaten seien dadurch gesperrt oder beschlagnahmt worden. «Präsident Petro hat das Wachstum von Drogenkartellen zugelassen und sich geweigert, diese Aktivitäten zu stoppen», sagte US-Finanzminister Scott Bessent. Der kolumbianische Präsident wies die Vorwürfe zurück. Kolumbien ist vor Peru und Bolivien mit Abstand der grösste Kokainproduzent der Welt.
- Im Kampf gegen Drogenkartelle hat US-Verteidigungsminister Pete Hegseth einen Flugzeugträger nach Lateinamerika entsandt. Die für die Region zuständige Kommandozentrale des US-Militärs (Southcom) solle den Befehl über die Einsatzgruppe übernehmen, teilte ein Sprecher des Hauses auf X mit, das sich inzwischen als Kriegsministerium bezeichnet. Die US-Streitkräfte sollen gegen den Drogenschmuggel in der Region vorgehen, hiess es zur Begründung. Der Schritt stellt eine Eskalation der ohnehin angespannten Situation zwischen den USA und lateinamerikanischen Ländern wie Venezuela und Kolumbien dar: In den vergangenen Wochen hatte das US-Militär mehrfach angeblich mit Drogen beladene Boote in der Karibik und im Pazifik angegriffen.
- Das amerikanische Militär hat erneut ein Boot in der Karibik angegriffen, das angeblich mit Drogen beladen war. Dabei wurden sechs Männer getötet. Über Nacht sei auf Anweisung von Präsident Donald Trump ein Schiff in internationalen Gewässern attackiert worden, das das Pentagon der venezolanischen Drogenbande Tren de Aragua zuordne, teilte Verteidigungsminister Pete Hegseth am Freitag (24. 10.) auf X mit. Das Vorgehen der USA gegen Drogenkartelle aus Lateinamerika zog viel Kritik nach sich. Der brasilianische Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva äusserte sich scharf. «Wenn sich das durchsetzt, glaubt jeder, er könne in das Territorium des anderen eindringen, um zu tun, was er will», sagte Lula laut einem Bericht des Fernsehsenders TV Globo. «Wo bleibt dann der Respekt vor der Souveränität der Länder?» Lula könnte Trump gemäss Medienberichten am Sonntag (25. 10) beim Gipfel des Verbands Südostasiatischer Nationen (Asean) in Malaysia treffen.
- Die US-Streitkräfte haben nach Angaben von Verteidigungsminister Pete Hegseth ein weiteres angeblich mit Drogen beladenes Boot im Pazifik angegriffen. Wie Hegseth am Mittwoch (22. 10.) auf der Plattform X mitteilte, seien dabei drei Personen getötet worden. «Diese Angriffe werden fortgesetzt, Tag für Tag», schrieb der Verteidigungsminister.
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Was ist bisher passiert?
Seit Anfang September 2025 haben die USA mehrere Schiffe im Karibischen Meer und eines im Pazifik angegriffen. Dabei kamen mehr als 30 Personen ums Leben. Laut dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump handelte es sich mehrheitlich um Schiffe aus Venezuela. Der US-Präsident vermeldete mehrere dieser Angriffe auf seiner Plattform Truth Social und bezeichnete die Opfer als «Terroristen». Sie hätten sich in internationalen Gewässern mit Drogen auf dem Weg in die USA befunden. Trump wählte dabei gewohnt martialische Worte und Grossbuchstaben. «Seien Sie gewarnt – wenn Sie Drogen transportieren, die Amerikaner töten können, werden wir Sie jagen!»
Ende September (21. 9.) führten die USA erstmals zusammen mit Behörden der Dominikanischen Republik einen weiteren Schlag aus. Dabei sei ein Schnellboot mit 1000 Kilogramm Kokain gestoppt worden, das sich in Richtung der dominikanischen Küste befand. Das Land sollte demnach als Brücke genutzt werden, um die Drogen in die USA zu bringen.
Mit dem Entsenden eines Flugzeugträgers in die Region erreichte der Kampf der US-Regierung gegen Drogenkartelle aus Lateinamerika am 24. Oktober eine neue Eskalationsstufe erreicht. Das grösste Kriegsschiff der Erde ist 333 Meter lang und bietet Platz für bis zu 90 Kampfflugzeuge und Helikopter sowie mehrere tausend Soldaten.
Wer war Ziel der Angriffe?
Anfang September hatte Trump einen ersten Angriff auf eine angebliche Drogenlieferung aus Venezuela befohlen. Die damaligen elf Todesopfer schrieb Trump der berüchtigten venezolanischen Gruppierung Tren de Aragua zu. Seine Regierung hat die Bande als ausländische Terrororganisation eingestuft. Wegen Drogenschmuggels, Schutzgelderpressung, illegalen Bergbaus und Migrantenschlepperei gilt sie als mächtigste kriminelle Organisation Venezuelas. Ihr Einflussgebiet reicht über die Grenzen des Landes hinaus bis in die USA. Unklar ist allerdings, ob es sich bei diesem ersten Angriff tatsächlich um Mitglieder des venezolanischen Drogenkartells handelte.
Nach dem zweiten Angriff vermied es Trump, die Opfer einer bestimmten Organisation zuzuschreiben.
Ob beide getroffenen Schiffe in den vergangenen Wochen tatsächlich Drogen transportierten und sich auf Kurs Richtung USA befanden, ist nicht bewiesen. Nach dem ersten Angriff hatte das amerikanische Aussenministerium widersprüchliche Informationen geliefert. Zunächst hiess es, die Drogenlieferung sei auf dem Weg nach Trinidad und Tobago oder in ein anderes karibisches Land gewesen.
Undurchsichtig waren in der Vergangenheit auch Aussagen Trumps zur Organisation Tren de Aragua. Er hatte sie bereits in seinem Wahlkampf mehrfach zum Feindbild erklärt und behauptete etwa, sie kontrolliere im amerikanischen Gliedstaat Colorado ganze Wohnkomplexe – was örtliche Politiker dementierten.
Seit Ende August haben die USA den Druck auf die lateinamerikanischen Drogenhändler erhöht und Kriegsschiffe in die Karibik entsandt.
Was hat Venezuelas Autokrat Nicolás Maduro damit zu tun?
Die Angriffe Trumps auf die angeblichen Drogenhändler könnten auch politisch motiviert sein. Der amerikanische Präsident macht immer wieder den venezolanischen Machthaber Nicolás Maduro für den Drogenschmuggel verantwortlich. Dieser soll den Tren de Aragua gar kontrollieren.
Seit längerem wirft die amerikanische Justiz dem Autokraten Drogen-, Menschen- und Waffenschmuggel vor. Maduro sei einer der führenden Köpfe des Cartel de los Soles. Auf den venezolanischen Präsidenten haben die USA ein Kopfgeld von 50 Millionen Dollar ausgesetzt. Trumps Offensive kann auch als Versuch verstanden werden, den Autokraten zu stürzen und eine neue Regierung in Venezuela herbeizuführen.
Maduro bezeichnete den amerikanischen Truppenaufmarsch als nicht zu rechtfertigen, unmoralisch und absolut kriminell. Das sei die grösste Bedrohung, «die unser Kontinent in den vergangenen hundert Jahren gesehen hat».
Dürfen die USA rechtlich diese Angriffe ausführen?
Die Vorgehensweise der USA ist höchst umstritten. Laut Rechtsexperten dürfte sie gegen das internationale Recht zur Anwendung von Gewalt verstossen. Die Uno-Charta bestimmt in Artikel 2, Absatz 4, dass Länder zu ihrer Selbstverteidigung Gewalt anwenden können – sofern sie angegriffen werden.
Trump bezichtigt die Bande Tren de Aragua einer irregulären Kriegsführung gegen die USA. Die Einstufung als Terrororganisation erscheint somit auch als eine Berechtigung zu derartigen letalen Angriffen auf die Drogenschiffe. Rechtsexperten erachten solche Begründungsversuche allerdings als Überstrapazierung der Uno-Richtlinien. «Die Tatsache, dass amerikanische Beamte die durch den amerikanischen Angriff getöteten Personen als Narkoterroristen bezeichnen, macht sie nicht zu rechtmässigen militärischen Zielen», sagte etwa der Rechtsprofessor Michael Becker vom Trinity College Dublin zur BBC. Die USA befänden sich weder in einem bewaffneten Krieg gegen Venezuela noch in einem gegen das Drogenkartell. Laut Becker verstösst der Angriff gegen das Verbot der Gewaltanwendung sowie gegen das Recht auf Leben nach den internationalen Menschenrechtsnormen.
Andere Experten stufen die Angriffe gar als aussergerichtliche willkürliche Tötungen ein, als Verletzung grundlegender Prinzipien des Völkerrechts. Die Rechtsprofessorin Mary Ellen O’Connell von der Notre Dame Law School sagte zur BBC: «Die vorsätzliche Tötung ausserhalb von bewaffneten Konflikten ist rechtswidrig, es sei denn, sie dient der unmittelbaren Rettung von Menschenleben.»
Wieso geht Trump auf diese Weise vor?
Der amerikanische Präsident bezeichnete die Drogenhändler in seinem jüngsten Social-Media-Beitrag als «extrem gewalttätig». Trump hat sich in seiner populistischen Manier grundsätzlich dem Prinzip von Law and Order verschrieben. Dies zeigt er auch mit den umstrittenen Einsätzen der Nationalgarde in verschiedenen Metropolen der USA, mit denen er der angeblich ausufernden Kriminalität entgegensteuern will.
Eines von Trumps Zielen sind auch internationale Drogenkartelle. Die stellen laut dem Präsidenten seit Jahrzehnten eine Bedrohung für die amerikanische Gesellschaft dar. Sie hätten verheerende Folgen für die Vereinigten Staaten und hätten Millionen Amerikaner das Leben gekostet. Damit sei nun Schluss, schrieb Trump in seinem jüngsten Truth-Post.
Unbestritten ist, dass die USA mit einem hohen Drogenkonsum konfrontiert sind. Laut Zahlen des National Center for Drug Abuse Statistic hat mehr als die Hälfte der über 12-Jährigen in den USA bereits illegale Drogen konsumiert. Rund 48 Millionen der Einwohner ab 12 Jahren konsumierten im Jahr 2023 regelmässig illegale Substanzen. Überdosierungen sind die Haupttodesursache für Menschen unter 45 Jahren.
Wie setzt Trump das Thema Drogen als Druckmittel ein?
Fentanyl verursachte im Jahr 2023 mit 72 776 Fällen die meisten Drogentoten in den USA. Trump setzt sich gegen den Import dieser synthetischen Substanz sowie ihrer Vorprodukte ein.
Der amerikanische Präsident nutzt dieses Thema allerdings auch in Zollverhandlungen als Druckmittel gegen zahlreiche Länder. Vor allem im Zollstreit mit Mexiko, Kanada und China forderte Trump mehr Massnahmen dieser Staaten gegen die Produktion und den Schmuggel der synthetischen Droge.
Mit Agenturmaterial.