Auch in Überzahl der Champions-League-Sieger Paris Saint-Germain kann den Bayern nicht gefährlich werden – diese Mannschaft ist zu allem fähig.

Luis Díaz traf den Fuss von PSG-Verteidiger Achraf Hakimi und sah daraufhin Rot.
EPA
Ganz einfach war es nicht, den Überblick zu halten, angesichts der vielen Superlative, die am späten Dienstagabend im Pariser Prinzenpark kursierten. Von einer perfekten ersten Halbzeit sprachen die Profis unisono nach dem Schlusspfiff. Lauter strahlende Gesichter präsentierten sich den Kameras, und der vormalige Experte und Fussball-Berater Matthias Sammer liess sich gar dazu hinreissen, von einem Vorstoss in eine neue Dimension zu sprechen, deren Augenzeugen die Zuschauer in Paris geworden waren.
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Diaz trifft und sieht rot
Bloss galten diese Hymnen gar nicht dem Platzteam, dem Champions-League-Sieger Paris Saint-Germain, sondern den Gästen aus München, dem FC Bayern. Eine Halbzeit in vollendeter Perfektion haben die Bayern gespielt, sagte Joshua Kimmich, der Organisator im Mittelfeld. Konzentriert, ballsicher, aber doch getragen von einer Leichtigkeit, die eine ungeheure Freude am Fussball verrät: So präsentierten sich die Münchner, die nach 45 Minuten durch zwei Tore des Kolumbianers Luis Díaz 2:0 führten.
Regelrecht hergespielt hatten sie den Gegner, die Führung hätte gar noch deutlich höher ausfallen können. Dass aber gerade der doppelte Torschütze dafür sorgte, dass die Begegnung in der zweiten Hälfte zu einer Herausforderung wurde, lag an einer roten Karte, die er sich unnötigerweise durch ein grobes Einsteigen gegen Achraf Hakimi einhandelte. Sonst wäre es wohl zu viel der Perfektion gewesen.
Wo steht diese Mannschaft des Trainers Vincent Kompany, die 15 Spiele in Serie gewonnen hatte? Diese Frage begleitete die Mannschaft auf ihrer Reise nach Paris, der Match gegen den Titelverteidiger im Wettbewerb galt als die Nagelprobe. Sie bestanden zu haben, scheint dieser Mannschaft gegenwärtig das bestmögliche Zeugnis auszustellen.
Daran, dass diese Münchner zu allem fähig sind, zweifelt nach diesem Auftritt niemand – abgesehen von denjenigen, die vielleicht wissen, dass eine Saison viele Unwägbarkeiten bereithält, dass Dinge auftreten können, die eine seriöse Planung nicht berücksichtigen kann. Wie etwa eine schwere Verletzung, wie sie Jamal Musiala im letzten Spiel gegen PSG erlitt. Die Perfektion des Augenblicks ist wenig wert, wenn die Dinge dann im April, wenn sich der Wettbewerb in der Champions League verengt, gegen die Bayern laufen.
Auch Goalie Neuer brilliert
Doch allein schon solche Gedanken zeigen, was offenbar für nötig erachtet wird, um diese Equipe aufzuhalten. Und wer gegen die beste Mannschaft Europas eine Halbzeit lang in Unterzahl zu bestehen vermag, der braucht zwar in der einen oder anderen Situation etwas Glück und einen Torhüter wie Manuel Neuer, der für seine brillante Performance als bester Spieler der Begegnung ausgezeichnet wurde.
Es zeugt allerdings auch davon, wie gross der Aufwand ist, den der Trainer Vincent Kompany betreibt, um auch in den ungemütlichen Situationen bestehen zu können. Auch der Umstand, dass Ousmane Dembélé, der Weltfussballer aus Frankreich, früh ausgewechselt wurde, schmälerte die Leistung der Bayern nicht: Hier wurde mit Bravour und ohne Rücksicht auf Positionen verteidigt, und zwar so, als sei es für diese Mannschaft, die es sonst immer gewohnt ist, das Spiel zu gestalten, eine Selbstverständlichkeit.
Tatsächlich ist es auch so: Joshua Kimmich berichtete nach dem Match davon, dass es zum Standardprogramm in München im Training gehöre, das Unterzahlspiel zu proben. Die sich daraus ergebende Sicherheit war ihnen durchaus anzumerken. Insofern dürfte die gewonnene Erfahrung vielleicht sogar mehr wert sein als ein Kantersieg, der durchaus möglich gewesen wäre.
Denn Serge Gnabry traf den Innenpfosten, und in der einen oder anderen Situation hätte etwas mehr Konsequenz mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu noch mehr Toren geführt. PSG, dieses magistrale Team, wirkte im eigenen Stadion regelrecht konsterniert. Salopp formuliert: Kompany hat eine furchterregende Fussballmaschine geschaffen, die gegenwärtig konkurrenzlos dasteht. Die Kunst besteht für ihn jetzt vor allem darin, das Niveau aufrechtzuerhalten.
Der Unterschied zum letzten Jahr ist gewaltig
Die Chancen dafür allerdings stehen nicht schlecht. Kompanys Lehrmeister ist Pep Guardiola, ein Spezialist für die Langstrecke. Einer, der sich der Perfektion der Positionierung eines Teams über lange Zeit verschreiben kann. Zudem hat diese Mannschaft gegenwärtig kaum Schwächen, die Stimmung könnte besser nicht sein. Der Aufwand, den Kompanys Methode fordert, wird von den Spielern gerne betrieben, weil sie mittlerweile auch die ganz grossen Erfolge verspricht: In seinem zweiten Jahr hat der Belgier die Mannschaft einen entscheidenden Schritt weitergebracht.
Die Differenz ist gewaltig: Vor einem Jahr verzeichneten die Bayern in der Champions League bereits zwei Niederlagen, ein 0:1 gegen Aston Villa und ein 1:4 beim FC Barcelona. Auch in der Bundesliga taten sie sich äusserst schwer gegen Mannschaften, die sich nicht in Demut vor dem grossen Namen in die Niederlage fügten. Heute ist der Nimbus der Bayern ein anderer: Sie sind nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa das Team, das es zu schlagen gilt.

