Nach einer parteipolitisch motivierten Blockade kann die neue Führungsequipe im Dezember die Arbeit aufnehmen. Doch bei fast allen Fraktionen ist Unmut spürbar.
Nein, eine Zitterpartie war das nicht. Mit 370 gegen 282 Stimmen, bei 36 Enthaltungen, hat das europäische Parlament am Mittwochmittag für die neue EU-Kommission gestimmt. Damit kann diese am 1. Dezember die Arbeit aufnehmen – knapp sechs Monate nach den Europawahlen.
Es ist dies ein Triumph für Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: Wie bereits letzte Woche klar war, hat das Parlament keinen einzigen der 26 von den Mitgliedstaaten nominierten Kandidaten zurückgewiesen – was seit der Jahrtausendwende nicht mehr geschehen ist. Die Deutsche, die schon im Juli für ihr zweites Mandat bestätigt worden ist, hat ihr Team derart fein austariert, dass von den grossen, proeuropäischen Fraktionen sich alle eine Scheibe abschneiden konnten. Gleichzeitig hat sie interne Widersacher, allen voran den ehemaligen Binnenmarktkommissar Thierry Breton, rechtzeitig kaltgestellt.
Die Bestätigung des Gesamtgremiums vom Mittwoch war dann nicht mehr viel mehr als eine Formalität. Anders als bei der Wahl der einzelnen Kommissare genügte eine einfache Mehrheit – und die Abstimmung fand namentlich statt, was potenziellen Abweichlern bekanntlich die Flügel stutzt.
Gespaltene Linke
Gleichzeitig zeigte die Debatte im Plenum von Strassburg, dass von der Leyens Auswahl allen Mehrheitsfraktionen Zugeständnisse machte, aber eben auch keine so richtig zufriedenstellt – mit Ausnahme ihrer eigenen Fraktion, der Europäischen Volkspartei (EPP). Doch sogar dort gab es gewissen internen Widerstand: Die spanische Delegation stimmte aus Protest, weil von der Leyen der spanischen Ministerin Teresa Ribera einen der bedeutsamsten Posten zugeteilt hatte, gegen die neue Kommission.
Mehr Groll gab es freilich auf linker Seite: Die Fraktionsvorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion hatte letzte Woche zwar ein unverbindliches Abkommen mit den Liberalen und der EPP geschlossen, sich intern jedoch nur bedingt abgesichert. Mehrere Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion bestätigten bei Gesprächen in Strassburg, dass sie zum Zeitpunkt des Abschlusses nicht im Detail gewusst hätten, was auf dem zweiseitigen Dokument gestanden habe. Entsprechend gespalten war die zweitstärkste Fraktion – eine Minderheit, vor allem aus Frankreich, stimmte gegen die neue Kommission. Auch innerhalb der deutschen Delegation ist der Unmut gross.
In wenigen Tagen geht es los
Bei den Grünen, die im Juli von der Leyen noch unterstützt hatten, danach aber nicht zu den Drei-Fraktionen-Gesprächen eingeladen waren, unterstützte nur eine knappe Mehrheit die neue Führungsequipe. Die rechtskonservative Fraktion der «Konservativen und Reformer», denen notabene die Fratelli d’Italia angehören, war ebenfalls gespalten. Dass Teile von ihr für die Kommission gestimmt haben, lag vor allem daran, dass ihr Spitzenvertreter Raffaele Fitto mit einem Vizepräsidentenposten bekleidet worden war. Die äusserste Rechte und die äusserste Linke waren ohnehin gegen von der Leyen.
Der langwierige Anhörungsprozess, der wegen parteipolitischen Geplänkels zusätzlich verzögert worden war, hat nun doch ein schnelleres Ende gefunden, als man zeitweilig befürchten musste. Für die nunmehr gewählten Kommissare beginnt das Mandat schon in wenigen Tagen.
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